Interdisziplinäre Kunst


Die Grundidee von "Intentionally Left Blank _ for play" ist es, interdisziplinäre Arbeiten zusammenzustellen als eine Gesamtaustellung. Interdisziplinäres Denken bezieht sich hierbei weniger auf strenge Stilistiken, Kunstformen und Medien, verbunden mit ihren Normen und Grenzen, sondern auf eine Verbindung verschiedener Wahrnehmungsformen. Die unterschiedlichen "Disziplinen" der Kunst haben dabei stets ihre eigenen Schwerpunkte und Stärken bezogen auf die von dieser Disziplin dominierte Art der Wahrnehmung. So beschäftigt sich die Komposition meist mit dem Hören, allerdings werden bei musikalsichen Werken stets auch andere Sinne angesprochen. Aus diesem Grund sollte "Intentionally Left Blank _ for play" weniger aus dem Blickwinkel der konservativen Erwartungshaltung an eine Gattung betrachtet werden, sondern als ein Angebot verschiedener Erlebnisse.


  • Das Hören:

Zu hören gibt es viel in der Ausstellung. Am auffälligsten sind zunächst "The White Page" und "Immer weiter", da diese im ersten Fall mit einem Studiolautsprecher im zweiten mit 79 Mini Lautsprechern bestückt die Ausstellungsfläche beschallen. Die beiden Arbeiten basieren auf kompositorisch ausgeschriebener Musik für modularen Synthesizer bzw. für digitalen Vocoder. Doch auch "I miss the cold II" klingt, wenn auch deutlich unauffälliger. Über Kopfhörer lassen sich hier drei verschiedene Stücke über das Rauschen hören.  Und zuletzt können die grafischen Partituren von "[mensch]" und "Fünf makabre Gesänge" vom Publikum oder eingeladenen Menschen interpretiert werden.

  • Das Sehen

Als Installationen im Raum haben alle einzelnen Arbeiten der Ausstellung eine jeweils eigene visuelle Wirkung. "33 Trios" sind konventionelle Zeichnungen, "Immer weiter" bedruckte Holzplatten und "The White Page" sowie die grafischen Partituren sind übergroße Plakate mit sichtbarer Notation von Klängen. Neben organischen und abstrakten Formen (wie den blauen Linien der Trios) spielt auch die kommunikative Form des Sehens eine große Rolle. Denn Zeichen können als Code verstanden werden, in Form von Noten, Schrift oder Bauplänen. So ist das Sehen auch immer verbunden mit dem Lesen, dem deuten und interpretieren von Glyphen. Und dieser Akt kann wiederum hörbar gemacht werden, durch lautes Vorlesen oder Singen.

  • Das Bewegen

Eine der Grundprämissen des Konzepts war es, dass alle Werke interaktiv gestaltet sein sollen. Alles, was in der Ausstellung präsent ist, soll berührt oder in Bewegung versetzt werden. Sei es durch das Drücken eines Schalters, das Stecken von Kabelverbindungen, das Berühren eines Kontaktmikrofons oder der Vollführung eines abstrakten Tanzes über das Ausstellungsgelände. Bewegung hilft uns, uns selbst als Mensch im Kontext eines Raumes wahrzunehmen. Unsere Bewegung hinterlässt Spuren, hat Folgen (akustischer, visueller oder kinetischer Kraft) und ist in sich selbst wieder eine Form von Kunst, die andere Menschen wahrnehmen können. Nicht zuletzt spielt hierbei die Selbstbetrachtung eine große Rolle- in "Ich bin" wird das Publikum in einem Spiegel mit sich selbst und seiner Bewegung konfrontiert und kann durch ein spiegelndes Mikrofon sich selbst lauschen.

  • Das Tasten

Haptische Sinneswahrnehmungen waren entscheidend für viele materialbezogenen Fragen die Ausstellung betreffend. Das Papier der "33 Trios" ist besonders schwer und aus reiner Baumwolle, die Paneelen von "Immer weiter" auf rohe Sperrholzplatten gedruckt, die schwarze Box von "The White Page" ist aus kaltem Metall und die versteckten Kisten mit den auf Papier geschriebenen Briefen von "Ich habe Ja gesagt" sind aus feiner blauer Pappe. Oft sind wir uns der Bedeutung von diesen Eigenschaften gar nicht bewusst, die Art jedoch, wie sich etwas anfühlt, wie warm oder kalt es ist, rau oder glatt, grob oder fein, unförmig oder geschmeidig, hat große Auswirkungen darauf, wie Objekte von uns erlebt werden und vor allem, wie sie im emotionalen Gedächtnis verankert werden. Und sei es nur, dass der gemütliche Teppichboden und die weißen Kissen auf der Empore sinnlich assoziiert werden mit der meditativen Stimmung von "I Miss The Cold".

  • Das Spielen

Spielen und Denken. Diese zwei Aktionen beschreiben treffend, worauf sich die Besucher*innen von "Intentionally Left Blank _ for play" einlassen sollten (nicht zuletzt steckt das "Spiel" schon im Untertitel der Ausstellung). Die meisten Arbeiten sind sehr abstrakt oder so sehr mit konkreten Daten und Informationen überladen, dass sie wieder ins abstrakte Rauschen kippen. Somit lassen sie sich entweder mit dem Versuch einer nüchternen Analyse nähern (wie sie hier auf dieser Webseite gewagt wird) oder über den Weg des Spiels, welches der bevorzugte Zugang zur realen Ausstellung in der HuMBase sein könnte. Im Spiel erproben wir Zusammenhänge, erforschen neugierig und unvoreingenommen ungewohntes Terrain und sind empfänglich für spekulative und utopische Ideen. Alles ist möglich, wenn wir spielen.

  • Das Riechen

Die HuMBase ist ein großer Bau, eine alte Kirche auf drei Etagen, leergeräumt und sich selbst größtenteils überlassen. Schon beim ersten Planungsgespräch wurde deutlich, dass auch der Geruchssinn eine große Rolle für die Ausstellung haben würde. Denn so ein Bauwerk klingt nicht nur eigen, es besitzt auch eine sehr starke olfaktorische Präsenz. Die verwendeten Materialien verstärken diesen künstlichen, rohen und nicht menschlichen Geruch- Papier, Metall, Holz, Alkoholfarbe, Klebeband, Nagellack, etc, sie alle tragen zu der Aura von "Intentionally Left Blank _ for play" bei.

 

  • Das Schmecken

Die Wahrnehmungsform, welche am schwersten in das Konzept dieser Ausstellung einzubinden war, nicht zuletzt, da unsere gustatorische Wahrnehmung in der Regel an die Verkostung von Essen oder Getränken gebunden ist. Sie kommt daher nur in einer kleinen Arbeit zu trage, im Gesamtkonzept von "I Miss The Cold II". Denn auf der Empore werden nicht nur die Wiedergabegeräte und Zeichnungen ausgestellt, sondern es steht auch ein Wasserkocher bereit, mit dem sich Besucher*innen einen Grüntee zubereiten können und diesen dann auf einem Kissen sitzend genießen können, während sie den Klängen lauschen oder mit den Puzzleteilen der "33 Trios" spielen.